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: Wie singt eigentlich ein gefoltertes Murmeltier?

Konfusionssadismus, Geheimwissen und andere Irritationen der ARD-Bundesligakonferenz

Fußballsamstag am Radio ist Murmeltiertag. Um 15.30 Uhr schaltet man ein, und alles ist wie immer. Die ARD-Sender übertragen die Fußball-Bundesliga, und die Kommentatoren kennt man, als hätte man sie schon im Mamabauch gehört. Selbst wenn einmal ein neuer Name auftaucht, ist nichts anders: Jargon und Tonfälle werden von Druidenmund zu Druidenohr weitergegeben auf immerdar. In einer selbst für geübte Zeitungsleser erstaunlichen Phrasendichte starten diverse Herren und eine Dame an jedem Samstag der Saison den Angriff auf das menschliche Trommelfell und sagen ihre Lieblingswörter auf: „natürlich“, „natürlich“ und „natürlich“; „nach dem Motto“ und „von daher …“ können sie auch, der Rest ist Glücksache.

„Nun freut euch, ihr Millionen – die ARD-Bundesligakonferenz ist da!“, jahrmarktet Thomas Kroh den Hörern von Inforadio Berlin in die Wohnungen. In einer quallkopfgesättigten Branche fällt Kroh tatsächlich auf: So hilf- und orientierungslos wie dieser stammelt und stoppelt sich sonst keiner durchs Gestrüpp der dumpfig einfach mal angefangenen, nie zu Ende gedachten Halbsätze – und gewinnt aus seiner habituellen Indisponiertheit eine Art Format.

Für seine Kollegen ist Kroh in seinem unbeabsichtigten Konfusionssadismus ein Segen – von ihm anmoderiert, wirken sie allesamt vergleichsweise geistesklar – ein Eindruck, den sie indes zügig kompetent zu korrigieren wissen. „Jetzt fängt der Himmel über Berlin an zu brennen …“, entfährt es dem Reporter, der sich aus Albert Speers Berliner Olympiastadion auf eine Zeitreise zurück nach 1933 begibt. Architektur hat ihre Macht; eine Führerkampfbahn kann man nicht renovieren, nur abreißen. Solange der Berliner Nazi-Olympiakitsch steht, bekommt man das sich seiner selbst unbewusste Gerede von Fackelzug und Reichstagsbrand gratis mitgeliefert.

Der Satz des Tages gehörte Manfred „Manni“ Breuckmann, der über Hannovers Thomas Brdaric zu sagen wusste: „Wenn er singt, dann klingt er wie ein Murmeltier, das gefoltert wird.“ Ohne sie zu begreifen, verneige ich mich vor diesen sinnungebundenen, verwirrend schönen Worten. Was für ein Musikkritiker hätte aus Manfred Breuckmann werden können!

Andererseits, durchzuckte mich ein furchtbarer Verdacht: Woher weiß er, wie ein gefoltertes Murmeltier klingt? Aber ruhig Blut, militante Tierschützer: Was gefolterte Murmeltiere sind, das weiß Manfred Breuckmann von uns, seinen Hörern, den Hörern der ARD-Fußballkonferenz. Denn Fußballsamstag am Radio ist Murmeltiertag: der Tag des gefolterten Murmeltiers.

WIGLAF DROSTE